120 km auf der Suche nach dem „V“
30. Oktober 2009 von Thommy
Es war unsere Jungfernfahrt, wir hatten beide so etwas noch nie gemacht. 4 Tage und 120 Kilometer in einem 2-Mann Kanu entlang des Whanganui River – ein kleines großartiges Abendteuer!
Wir hatten uns nach kurzer Internetrecherche bereits in Nelson für einen Kanu-Verleiher in Ohakane entschieden und telefonisch die wesentlichen Dinge abgestimmt. Als wir am Abend vor unserem geplanten Start in Ohakane ankamen, standen für uns 6 Fässer bereit, die wir später in der Jugendherberge mit unserem Gepäck füllen sollten. Dazu bekamen wir ein kleines Buch in die Hand gedrückt, in dem der Fluss mit seinen Grad I und II Stromschnellen beschrieben ist. Alles Weitere sollte am folgenden Morgen um 7 Uhr auf dem 1,5 stündigen Transport zum Fluss folgen.
Kurz vor Schließung schafften wir es noch in den Supermarkt, um entsprechend unserer am Nachmittag im Bus erstellten 4-Tages-Essensliste einzukaufen. Das anschließende Fässer packen dauerte leider länger als gedacht, da wir uns erstmal klar werden mussten, was man denn so auf einer nassen und nachts leider immer noch kalten 4-Tages-Tour benötigt. Ein Fass für Zelt, Schlafsäcke und Isomatten, 2 für Lebensmittel, Gaskocher und Geschirr, eins für Kleinkram wie Erste-Hilfe-Zeugs, Kopflampen, Bücher und je ein Fass für unsere Klamotten. Der Vermieter sagte uns, dass wir damit rechnen müssen (!), komplett nass zu werden und demnach neben Regenkleidung alle warmen Klamotten doppelt dabei haben sollen. Die Spannung stieg, zum Lesen der Flusslektüre kamen wir an dem Abend natürlich nicht.
Nach 1,5 Stunden Fahrt waren wir am nächsten Morgen an unserem Startpunkt in Ohinepane in the middle of nowhere. Don, Fahrer und Mit-Inhaber des Rental Shops zeigte uns, wie man die Fässer auch für etwaiges Kentern sicher im offenen Kanu festschnürt und gab uns anschließend eine kurze erste (und letzte) Einweisung. Er sprach von Baumwurzeln, Wirbeln, Strudeln, 1 Meter hohe stehende Wellen, längerem Aufenthalt wegen Regens und Hochwassers und allerlei anderen wichtigen Dingen, die wir auf der Tour beachten sollten. Wir hatten ein paar Zweifel, ob wir uns das alles merken können…vor allem, wenn wir erstmal ungebremst direkt auf eine solche Stromschnelle zusteuern würden. Wir machten noch ein Foto von seinen veranschaulichenden, wilden Kritzeleien im Sand. Man weiß ja nie…
Unsere Aufregung stieg und wir wussten, dass wir gleich für 4 Tage ohne Hilfe alleine sein werden. Don erklärte uns, welche Aufgaben wer im Kanu hat, wie die Kommunikation laufen soll (der Kapitän hat immer das sagen…eine herrliche und nicht ganz einfache Aufgabe für Freund und Freundin) und vor allem die für uns wichtigste Regel: Immer das „V“ suchen! Gemeint ist, dass beim Einstieg in Stromschnellen häufig ein „V“ zu erkennen ist, d.h. sprudelndes Wasser auf der einen und auf der anderen Seite, und zwischendrin ruhiges Wasser. Da soll man rein, mitten ins große V! Wir ahnten hier noch nicht, dass wir gemeinsam schon sehr bald unentwegt damit beschäftigen sein würden, aus großen Entfernungen Vs zu orten.
Von Ohinepane hatten wir am ersten Tag ca. 30 km bis zu unserem ersten geplanten Camping-Stopp zu bewältigen. Das reicht zum üben. Dieser Campground ist über eine Schotterpiste wohl noch per Auto zu erreichen. Die weiteren 3 Tage und 90 km sind ausschließlich über den Fluss oder mehrtägige Wanderwege zugänglich. Einmal auf diesem Wasserweg muss man auch bis zum Ende hindurch. Das klang spannend genug!
Wir paddelten an den darauf folgenden Tagen 40 km, 30 km und am letzten 20 km. Wir wurden besser und besser beim Erkennen, Planen und Durchqueren der Stromschnellen und konnten am Ende sogar drüber lachen, wenn wir einem Strudel nicht ausweichen konnten und dieser uns einfach mal um 180 Grad um die eigene Achse drehte. Der Respekt vor der Kraft und der Unberechenbarkeit dieser Wassermengen ist aber bis zum Ende erhalten geblieben.
Wir sahen in den 4 Tagen keine anderen Kanu-Fahrer und die einzigen Menschen, die wir trafen, waren die beiden Ranger, die Arbeiten in den Camps unserer zweiten und dritten Nacht durchführten. Diese beiden Nächte genossen wir besonders, denn hier gab es jeweils eine einfache Mehrbett-Hütte mit kleiner Küche und großartigem Holzkamin. So ganz alleine einfach super und viel wärmer als das Zelt!
Die Stromschnellen des letzten Tages wurden uns mehrfach angekündigt und wir wussten nicht, ob wir uns darauf freuen sollten oder einfach darauf hoffen, dass es schnell rum ist. Sie waren die größten auf der gesamten Flusslänge und einen wirklichen Rat, ob wir uns nun links, rechts oder mittig halten sollten, bekamen wir nicht. Wirklich erleichtert war ich dann doch erst, als wir die Dinger heil und nur wenig nass überstanden hatten.
Nach vier Tagen Paddeln war es dann aber auch genug und wir waren froh, fertig zu sein. Aber auch sehr zufrieden, es gemacht zu haben. Und bezüglich der angesprochenen Rollenverteilung und der Kommunikation im Boot: Vielleicht versuchen wir beim nächsten Mal kilometerweise die Kapitänsbinde hin und her zu tauschen. Ein Versuch ist es wert (-;
Zurück in Ohakane ging es direkt mit dem Bus nach Taupo…ein paar Tage mal gaaaaaaanz wenig machen.